„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.”
(Matthäus 5, 13-16)
Ich sitze in der Sonne und denke. Währenddessen tobt ein Krieg in der Ukraine. Man kommt nicht daran vorbei. Im Netz las ich die trockene Bemerkung: Die 20er Jahre des neuen Jahrtausends bekommen bislang eher so 0 von 5 Punkten. Erst der Dauerbrenner Corona und nun ist auch noch der Krieg zurück.
In Gedanken stelle ich mir das letzte Gericht Gottes über diese Welt vor. Sie alle, die Gewaltherrscher, die Tyrannen und Diktatoren, die Totengräber dieser Erde, sie werden vorgeladen. Und sie werden winzig sein auf ihrer Anklagebank, im Angesicht Gottes nackt und bloß. Auch die Schuldigen des Ukrainekrieges müssen sich ihrer Verantwortung vor Gott stellen. Diejenigen, die die Schuld dafür tragen, dass es Mariupol nicht mehr gibt. Dafür, dass Leichen auf der Straße liegen und die Überlebenden hungern. Dafür, dass Menschen im Theater Zuflucht suchen und ausgebombt werden. Für die kranken Kinder, die mit ihren Eltern aus der Klinik fliehen. Für die jungen Rekruten, die Zivilisten erschießen und fortan für immer mit ihren Taten leben müssen. All diejenigen, die Verantwortung tragen für dieses sinnlose Sterben, sinnlose Leid, sinnlose Zerstören.
In meiner Vorstellung male ich mir eine Art Nürnberger Prozess 2.0 aus. Von Gott geleitet, und all die Herrschaften aus dem Geschichtsbuch des Grauens nehmen auf der Anklagebank Platz. All die Putins, die Baschar al-Assads, die Lukaschenkos, die Kim-Jong-uns. Von der Champions League des Mordens, also denjenigen, die die Leichenberge des letzten Jahrhunderts zu verantworten haben, mal ganz zu schweigen. Die natürlich auch.
Mich macht Kyrill, der unselige Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, richtiggehend wütend. Ich möchte ihn am Schlafittchen packen und ihm ins Gesicht brüllen. Dafür, dass er auch noch anfängt diesen Krieg zu rechtfertigen. Es reicht offenbar nicht, dass er homophoben Unsinn redet. Als Krieg bezeichnet er das Töten und Zerstören in der Ukraine freilich nicht, denn einen Angriffskrieg hat die russisch-orthodoxe Kirche ja als Sünde gebrandmarkt. Für ihn ist es die sogenannte ‚russische Militäroperation‘, gerechtfertigt durch den Konsum und die Schwulenparaden des Westens. Weiß er, was er da redet? Dagegen waren die Kreuzzüge von edlen Motiven geleitet. Wie kann ein christlicher Führer so etwas sagen? Und wie kann er die Botschaft Jesu so sehr verraten, so sehr missverstehen, so sehr vergewaltigen? Mich reut ein Bruderbrief an Kyrill, den ich selbst mitunterzeichnet habe. Er sollte dazu führen, dass er sich gegen den Krieg seines Landes positioniert. Sinnlos. Gerne würde ich diesen Brief nehmen und ihm damit das Maul stopfen. Doch noch schlimmer: Warum versagt die Kirche schon wieder? Und das genau in dieser Situation. Jetzt, wo wir so nötig ihre Stimme bräuchten. Wieder mal.
Vor Jahren las ich ein Interview mit Peter Steele, dem Frontman der Band „Type o Negative“. Sinngemäß sagte er: Ich möchte daran glauben, dass es einen Himmel gibt, in den die Guten kommen und dass die Hitlers und Stalins dieser Erde in der Hölle schmoren. Das kann ich nachvollziehen. Pastor Wilhelm Busch sprach mal davon, dass Gott eigentlich Eisenbahnschienen nehmen müsste, um in Enttäuschung und Wut auf diese Welt einzuprügeln. Im Lied „Brotherhood of man“ zieht Lemmy, der Sänger von „Motörhead“, ein düsteres Fazit über die gesamte Menschheitsgeschichte: Wir sind schlimmer als Tiere. Wir sind eine Art Krankheit, die sich der Erdball zugezogen hat. Lemmy hat Recht. Es ist erbärmlich.
Während ich weiter die Fäuste balle und ich den Kriegstreibern dieser Welt so richtig an den Kragen will, da kommt mir ein Lied von Keith Green in den Kopf. Er singt: Öffne dein Herz für die Verzweifelten. Öffne dein Herz. Öffne dein Herz. Sie werden es dir vielleicht nie zurückzahlen können, aber sie sind es wert. Jesus liebt alle Menschen gleich.
Das Weltgericht ist Gottes Angelegenheit. Es wird kommen, ganz am Ende der Zeit. Unaufhaltsam. Ohne mein Zutun. Unwiderstehlich und mit Macht. Dann, wenn Gott die Geschichte dieser Erde zusammenfaltet wie ein Blatt Papier. Er benötigt mich nicht als Hilfssheriff, und auch nicht als Staatsanwalt. Es ist Chefsache. Meine und unsere Aufgabe hier ist eine andere.
Bonhoeffer schrieb: Wenn die Kirche den Staat ein Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht ausüben sieht, kommt sie in die Lage, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen.
In der Geschichte ist das Wort vom Griff in die Speichen bedeutend geworden, aber ich glaube, am heutigen Tag geht es um den ersten Teil. Wir müssen die Opfer unter dem Rad verbinden. Diese Menschen brauchen uns.
Als ich gehört habe, dass es Menschen gibt, die Familien aus der Ukraine in ihrer Wohnung aufnehmen und sich um sie kümmern wollen, da dachte ich: Das ist genau der Stoff, aus dem die Hoffnung für unsere Welt gewebt wird. Gleichzeitig zeigt die enorme Hilfsbereitschaft, was bereits bei den Geflüchteten aus dem syrischen Bürgerkrieg möglich gewesen wäre. Oder bei den Armen, die Jahr für Jahr auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrinken.
Doch mir geht’s um die Hoffnung: Viele Menschen öffnen gerade ihr Herz oder entdecken ihren Mut. In Outdoorgeschäften sind Schlafsäcke und Wasserreiniger gerade Bestseller. Sie sind bereits unterwegs als Spenden in die Ukraine. Oder denken wir an die junge Frau, die live im russischen Fernsehen mit einem selbst gebastelten Plakat protestiert. Welch ein Mut – gegen all die Lügen.
Wir brauchen heute Mitgefühl, Barmherzigkeit, Glaube, Mut und Wahrheit. Das ist das Salz in der Suppe dieser Welt. Im Haushalt würzen wir mit Salz schon immer unsere Mahlzeiten und in früheren Zeiten haben wir mit Salz die Lebensmittel konserviert. Lassen Sie das Salz mal weg. Was geschieht dann? Genauso steht es mit dem Salz für diese Welt.
Als Sodom und Gomorrha vernichtet werden sollten, da rang Abraham mit Gott. Er sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären? Und Gott versprach, es um der Gerechten willen nicht zu tun. Doch es gab keine 50 Gerechte in Sodom. Auch keine 45, keine 40, keine 30, keine 20 und keine 10. Und damit war die Stadt am Ende.
Das Salz dieser Erde, das sind die Menschen, die Gottes Willen tun: In Barmherzigkeit und Mitgefühl, in Mut, Glaube und Wahrheit. Die Bibel nennt das ‘Nächstenliebe‘. Davon lebt unsere Welt. Jesus sagt: Werde Salz dieser Welt!
Eurer Jörn Bohn
Ehrenamtlicher und Prädikant in unserer Gemeinde
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