Es ist kalt geworden. Die Bäume verlieren ihre Blätter. Die Vögel ziehen weg. Die Natur wird karg. Die Dunkelheit nimmt zu. Der Winter steht vor der Tür. Friedrich Nietzsche schreibt in seinem Gedicht „Vereinsamt“:
Die Krähen schrei'n/ Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:/ Bald wird es schnei'n/ Weh dem, der keine Heimat hat!
Kennen Sie die Einsamkeit heimatloser und entwurzelter Menschen? Ihre Verlorenheit? Die tiefe Sinnlosigkeit? Ich meine damit nicht unbedingt die über 70 Millionen Menschen, die gerade weltweit auf der Flucht sind. Übrigens die höchste, jemals geschätzte Zahl.
Mitten unter uns leben viele Menschen, die keine Heimat haben oder keine Heimat mehr haben. Keine innere Heimat. In Deutschland lebten im Jahr 2019 rund 17,6 Millionen Menschen allein. Der Anteil der Single-Haushalte zwischen 1991 und 2019 stieg von 34% auf 42%. Die meisten davon findet man in Großstädten – damit auch in Dresden.
Man kann sehr einsam sein in einer lebendigen Großstadt. Man kommt nach Hause, aber da ist niemand, der einen erwartet. Man kocht, aber niemand isst mit. Es gibt nicht mal jemanden, der übers Essen meckert. Man schläft und das große Bett ist kalt. Es gibt kein Lachen, keine Fröhlichkeit, keinen Witz, keinen Streit und kein gemeinsames Schweigen. Was bleibt ist die Arbeit, der Fernseher, das Internet und die Hobbys. Mit den Nachbarn gibt’s Smalltalk – wenn überhaupt.
Es gibt viele alte, einsame Menschen, meistens Frauen, deren Partner bereits gestorben ist. Menschen, die niemanden mehr haben. Singles und Alleinerziehende. Menschen, die eine schlimme Trennung hinter sich haben. Menschen mit einem kleinen sozialen Netz. Menschen, die jetzt schon wieder Angst vor Weihnachten haben, jenem Familienfest, bei dem die Einsamen ihre Einsamkeit so richtig spüren. Menschen, die sich die elementaren Fragen stellen: Wozu gehe ich eigentlich arbeiten? Und für wen? Wen interessiert es, ob ich heute aufstehe oder im Bett liegen bleibe? Was ändert es, wenn ich aufräume oder mich anziehe? Vermisst mich eigentlich jemand, wenn ich nicht mehr da bin.
Ich mag den Musiker Steve Wilson. Auf seinem Album „Hand. Cannot. Erase“ vertont er die Geschichte einer jungen Engländerin, die, umgeben von ihren Weihnachtsgeschenken, fast drei Jahre tot und unentdeckt in ihrer Londoner Wohnung lag. Vermisst hatte sie anscheinend niemand. Drei Jahre lang!
Kennen Sie den Dortmunder Tatort? Kommissar Faber ist ein völlig entwurzelter, einsamer, depressiver, zynischer, fast verrückter Mann. Seine Familie lebt nicht mehr. Ein Mann ohne jeglichen Halt - mit Ausnahme seiner Arbeit. Manchmal fährt er ziellos mit der U-Bahn durch die Großstadt.
Ich war sehr erstaunt, dass Jesus diese Heimatlosigkeit kennt. Nicht nur, weil er doch immer ein Herz für die Heimatlosen hatte; auch aus eigenem Erleben. In Matthäus 8,20 sagt er: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“
Der Sohn Gottes versteht die Not von Menschen, die kein Zuhause mehr haben. Er kennt den Schmerz. Tröstet das? Ich denke ja, zumindest ein bisschen.
All wir Heimatlosen haben eine gemeinsame Hoffnung: Dass wir irgendwann endlich wieder ein Zuhause haben. Eine Heimat. Ruhe und Ankommen. Und ein Lächeln, wenn wir durch die Tür kommen. Und dass jemand sagt: Schön, dass du da bist! Ich habe auf dich gewartet. Komm in meine Arme.
Die Bibel macht uns Hoffnung, dass Gott am Ende aller Tage ein Fest mit uns feiert, wenn wir bei ihm ankommen. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Wir müssen wirklich zusammenhalten. Das Leben ist nicht einfach.
Eurer Jörn Bohn
Ehrenamtlicher und Prädikant in unserer Gemeinde
Pilgern auf Jakobswegen in Deutschland
Buchvorstellung
Impuls von Jörn Bohn
(Offenbarung 22, 13)
Schritt für Schritt mit Gott
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Von Pfarrer Weirauch vorgestellt
Blick nach innen
500 JAHRE REFORMATION
Die Christusdarstellung in der Hoffnungskirche
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