Heute, da ich diesen Beitrag schreibe, ist der 8. Dezember 2023. In einigen Tagen werden die Pfadfinder das Friedenslicht aus Bethlehem verteilen. Angesichts der schlimmen Nachrichten, die aus dem Heiligen Land zu uns dringen, ist das eine seltsame Vorstellung: Bethlehem in Palästina als Ausgangspunkt für Frieden? Darf man denn darauf hoffen?
Zumindest gibt es neben den Pfadfindern, die das Friedenslicht jedes Jahr weitergeben, viele Menschen, die nicht nur darauf hoffen, sondern auch aktiv dafür beten. Denn der Weltgebetstag der Frauen blickt 2024 nach „Palästina“. Einige finden das sicher gewagt, andere gar unpassend: Wie kann man denn in der heutigen Zeit, in der Zeit nach dem 7. Oktober, angemessen von Palästina reden? Wie kann man den Frauen dort auf Augenhöhe begegnen vor den Bildern der unfassbaren Gewalt? Wie kann man über Palästina reden, ohne von Israel zu schweigen?
Ich habe das in den letzten Wochen versucht. Immer wieder habe ich meine Freunde im Heiligen Land angerufen oder angeschrieben. Jüdische Israelis, Drusen, muslimische Palästinenser, palästinensische Israelis. Schon ein Blick in mein Telefonbuch zeigt mir, dass es die klare Polarisierung, die Medien oft aufmachen, gar nicht gibt. Und all diese Menschen, die so unterschiedlich in Herkunft, Nationalität, Glaube und Weltsicht sind, haben mit mir Eines geteilt: Eine Sprachlosigkeit über die für uns alle unfassbare Gewalt dieses neuen Krieges. Besonders einprägsam war mir das gemeinsame Schweigen mit einer jungen Frau, einer muslimischen Palästinenserin aus Tel Aviv mit israelischem Pass. Denn dieses Schweigen hatte viele Ebenen: Die Sprachlosigkeit im Angesicht der Grausamkeiten. Die Unfähigkeit, die eigene Angst auszudrücken, die man in einem Schutzbunker bei Raketenalarm spürt. Die Unmöglichkeit, angesichts der heutigen Vorkommnisse in die Zukunft zu schauen. Die Erkenntnis, dass alle Vorstellungen von Frieden gerade unpassend, ja fast schon zynisch klingen. Und die Zerrissenheit, die sich einstellt, wenn man mit den Opfern auf beiden Seiten der Mauer um Gaza trauert, die Öffentlichkeit aber eine Positionierung fordert. Das gemeinsame Schweigen hat gut getan.
„Schweigen hat seine Zeit, und reden hat seine Zeit“ (Prediger 3,7). Der Weltgebetstag der Frauen will reden und bewirken, dass Frauen aus unterschiedlichen Krisen-, Kriegs- und Katastrophenregionen der Welt zu Wort kommen. Es geht darum, dass wir ihnen zuhören können, einen Einblick in ihr Leben bekommen und einstimmen können in ihr Gebet für einen gerechten Frieden, für eine Zukunft.
Ich möchte auf das Friedenslicht aus Bethlehem hoffen. Und ich möchte dafür beten, dass Menschen in Palästina, in Israel und auf der gesamten Welt in Frieden leben können, in einem gerechten Frieden, auch wenn ich mir den noch nicht vorstellen kann. Gerade deshalb möchte ich für Frieden beten, denn ich vertraue darauf, dass Gott uns Menschen einen Ausweg bieten kann aus dieser und aus anderen ausweglosen Situationen. Ich werde mir in neun Tagen das Friedenslicht nach Hause holen.
Und vielleicht kommen Sie ja zum Weltgebetstag der Frauen. Am 1. März 2024 finden die ökumenischen Veranstaltungen in unseren Partnergemeinden statt, um 18:00 Uhr in St. Marien. Und auch in St. Antonius wird ein Weltgebetstags-Abend stattfinden.
Solche weltweiten Veranstaltungen werden schon Jahre im Voraus geplant, bedacht und erarbeitet, so auch der Beitrag der Palästinensischen Frauen. Doch der Krieg verändert nicht nur unsere Sicht auf die Welt, sondern sicherlich auch die Dringlichkeit der Gebete. Um der aktuellen Situation gerecht zu werden, so man das überhaupt kann, wird das Material für den Weltgebetstag 2024 derzeit überarbeitet. Daher müssen sich diejenigen, die in unseren Kirchgemeinden diese Veranstaltungen gestalten, noch ein wenig gedulden, bis sie in die richtige Planung gehen können. So können wir zum Redaktionsschluss noch keine Uhrzeit für die Veranstaltung in St. Antonius mitteilen. Wenn dieses Magazin erscheint, werden aber sicherlich die ersten Plakate oder Flyer in den Gemeinden vorhanden sein.
Theresa Rossenbach
Gemeindepädagogin
Gastbeitrag
Wie kann angesichts von Kriegen gebetet werden, fragen sich manche. Für die einen ist es fester Bestandteil ihres Lebens und Glaubens, Anliegen Gott zu nennen. Sie erleben in Gebeten, auch in Friedensgebeten, ein wohltuendes Geheimnis. Andere verstehen nicht, was das soll und halten Gebete für naiv oder blauäugig, vor allem im Blick auf das viele Leid in unserer nahen oder weiteren Umgebung.
Friedensgebete haben sich in den vergangenen 50 Jahren zu einem festen Veranstaltungsformat in den Kirchen entwickelt. Nach der Ausweitung des russischen Krieges in der Ukraine auf das ganze Land am 24. Februar 2022 begannen viele wieder damit. Der Ausbruch des Krieges im Nahen Osten am 7. Oktober 2023 hat dem noch einmal zusätzliches Gewicht gegeben. An manchen Orten finden die Friedensgebete wöchentlich oder monatlich bis heute statt.
Jedes Jahr im November wird die Ökumenische Friedensdekade begangen. In vielen Gemeinden finden dazu Veranstaltungen statt, Gottesdienste werden dem Thema gewidmet und zu Friedensandachten wird eingeladen. Zentral dabei sind die Zeiten für das Gebet: Anliegen werden benannt und als Bitte an Gott formuliert. Auch das hat inzwischen einen festen Platz und ist zu einer guten Tradition geworden.
Warum beten wir (für den Frieden)? Der Friedensbeauftragte des Rates der EKD, Landesbischof Friedrich Kramer sagte wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine dazu: „Wir sind alle hilflos angesichts dieses Krieges. Im Gebet kann ich mich in dieser Hilflosigkeit, mit meiner Wut und meinen Ängsten an Gott wenden. Zum zweiten klärt ein Gebet meine Gedanken, sodass ich auch aktiv werden kann – was kann ich machen, wie kann ich helfen, was kann ich spenden? Und als Drittes bewahrt mich das Gebet auch davor, in ein stumpfes Freund-Feind-Schema zu verfallen.“ Eine ukrainische Studentin wies noch auf einen anderen Aspekt des Betens hin, als sie sagte: „Bitte betet weiter, damit ihr uns nicht vergesst!“
Nun steht der Weltgebetstag Anfang März vor uns. Er gibt jedes Jahr die Möglichkeit, gemeinsam mit denen, die die Liturgie erstellt haben, zu beten. Das sind in jedem Jahr Frauen aus einem anderen Land. Für den 1. März 2024 waren es Frauen aus Palästina, die zum Gebet einladen. Dass deren Anliegen nun durch den Krieg im Nahen Osten so aktuell wurden, hätte niemand gedacht. Es wäre schön, wenn in diesem Jahr zum Weltgebetstag besonders deutlich wird, dass im Gebet Menschen nicht in Schubladen gesteckt werden können, dass es über Gräben, Grenzen und Mauern hinwegführt und niemanden ausschließt. Das Deutsche Komitee Weltgebetstag formuliert das am 13. November 2023 so: „Wir hoffen und bitten Gott darum, dass es bald Frieden im Nahen Osten gibt; einen Frieden, der mit Gerechtigkeit und Vergebung einhergeht und Lebensperspektiven für alle Menschen in der Region eröffnet.“ Mit den Gebeten stellen wir uns neben die Menschen, die im Nahen Osten leiden genauso wie neben diejenigen, die in unserem Land Angst haben, Opfer von Antisemitismus zu werden.
Beten ist immer möglich. Es kann Menschen verändern und manchmal sogar Wunder bewirken.
Michael Zimmermann
Beauftragter der EVLKS für Friedens- und Versöhnungsarbeit
„Du Gott des Friedens,
In unserer Fassungslosigkeit kommen wir mit unserem Gebet zu Dir.
Unsere Gedanken und Gebete sind bei den von Krieg, Gewalt und Terror betroffenen Menschen im Nahen Osten in ihrer Angst und Not.
Wir denken besonders an die Kinder und Jugendlichen, die Familien, die Frauen, die ein Kind erwarten und die Mütter, die allein mit ihren Kindern unterwegs sind.
Wir legen die Menschen in deine Hand, Gott.
Gott, wir beten, dass Versöhnung Hass besiegt, Frieden Krieg bezwingt, Hoffnung Verzweiflung überwindet und deine Pläne des Friedens in Erfüllung gehen.“
Vorstand des Weltgebetstag der Frauen - Deutsches Komitee e.V.