Jahreslosung 2022

Zugangsvorraussetzungen

Über Zugangsvoraussetzungen werden beinahe alle Bereiche des Lebens geregelt. Im Internet sind das Codes, über die man verfügen muss, um sich einloggen zu können. In der Arbeitswelt sind es konkrete Berufs- oder Studienabschlüsse. Ja, und die sogenannten G-Regeln kann ich hier nicht verschweigen. Wie gut, wenn man die nötigen Nachweise dabei hat, um reinzukommen.

Zugangsvoraussetzungen haben natürlich eine Kehrseite. Wenn sie nicht gegeben sind, muss man draußen bleiben. Das ist manchmal richtig unangenehm. Ich erinnere mich bis heute, wie es war, als ich im Kino tatsächlich meinen Ausweis vorzeigen musste und dann aufgrund der Altersbeschränkung wieder gehen musste. Peinlich. Aber es half alles nichts, ich hatte keinen Zugang.

Wir sind uns wohl alle im Klaren darüber, dass Zugangsvoraussetzungen für viele Bereiche des Lebens absolut notwendig sind. Ohne sie drohen vielfältige Gefahren. Manchmal aber spüren wir, dass sie uns oder andere unangemessen einschränken oder aussperren. Das geschieht dann, wenn sie zu sozialen Ausschlusskriterien werden. Wenn jemand nicht mehr zu uns passt, weil er nicht so redet wie wir oder die falschen Gedanken denkt und unpassende Worte spricht. Vorlieben für Musikrichtungen und Sportvereine, Kleidungsstile und Essgewohnheiten aber auch politische Überzeugungen und gegensätzliche Meinungen können tiefe Gräben aufreißen. Zugegeben, es gehört viel Kraft dazu, Menschen mit anderen Gewohnheiten und Verhaltensweisen auszuhalten. Das schaffen wir nicht immer. Deshalb brauchen wir unbedingt soziale Gruppen, in denen wir uns wohl und geborgen fühlen. Wann aber werden diese Gruppen zur Blase, in die wir uns auf ungesunde Weise zurückziehen und anderen gegenüber verschließen?

Der Satz von Jesus Christus, welcher uns als Leitwort für 2022 gegeben wurde, stellt keinen Anspruch auf totale Offenheit für jeden Menschen. Er enthält nicht einmal eine Aufforderung. Er beschreibt einfach das, was für Jesus selbstverständlich war, wie er gedacht und geredet, gehandelt und Menschen behandelt hat: „Wenn jemand etwas von mir will, weise ich ihn nicht ab! Ich gebe dem, der mich bittet und halte mich offen für alle Menschen, die bedürftig sind und das zum Ausdruck bringen.“ Dabei hat er die körperlichen und die seelischen Bedürfnissen im Blick gehabt. Wenn er praktisch geholfen hat, war das für ihn zugleich eine doppelte Botschaft: „Weil ich für dich bin, bin ich für dich da!“ Damit wurde deutlich, dass er sensibel für die tiefe Sehnsucht der Menschen war, nicht abgelehnt zu werden, sondern dazugehören zu dürfen.

Wenn wir dieses Wort für uns und unser Verhalten als guten Vorsatz für das neue Jahr nehmen wollen, liegt eine große Herausforderung vor uns. Es wird sich lohnen, diesen Weg zu beschreiten.

Wozu gibt es die Jahreslosung?

Die Jahreslosung ist am Anfang eines Jahres Gegenstand und Inhalt unzähliger Predigten, Bibelarbeiten und Andachten. Sie hängt in vielen Gemeindesälen, Wohnzimmern und Pfarrämtern. Und trotzdem wissen die meisten nicht, woher sie eigentlich kommt.

Bereits seit 1930 gibt es für jedes Jahr ein Bibelwort als Jahreslosung. Die Losung für das Jahr 1930 stammte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer und lautete: Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht. (Römer 1,16)
1934 wurde die Jahreslosung dann erstmals direkt aus den Leseeinheiten des Bibelleseplanes ausgewählt und veröffentlicht. Seit 1970 übernimmt die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen die Auswahl der Jahreslosung.

Die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen erstellt jährlich einen ökumenischen Bibelleseplan, der für jeden Tag des Jahres einen Abschnitt aus der Bibel als Lesung anbietet. Dieser Plan führt in einem Turnus von vier Jahren durch das ganze Neue Testament und innerhalb von acht Jahren durch das Alte Testament. Aus den Texten, die der Leseplan für ein Jahr vorsieht, wählt die ÖAB ein Wort als Jahreslosung aus. Darüber hinaus wird aus den Texten, die in einem bestimmten Monat zu lesen sind, jeweils ein Zitat als Monatsspruch bestimmt.

Landesbischof Tobias Bilz

Zurück