Jesu, meine Freude

Mitten in der Passionszeit heißt es „Freue dich!“ So lautet die Übersetzung des lateinischen „Laetare!“. Der Sonntag, der diesen Namen trägt, liegt in der Mitte der Passionszeit. Er wird deshalb auch „Mittfasten“ genannt und hat einen fröhlichen und tröstlichen Charakter, denn das Osterfest rückt näher. Dies drückt sich auch in der liturgischen Farbe aus: In das Violett der Passionszeit mischt sich schon das österliche Weiß. So können im Gottesdienst zum Sonntag „Laetare“ auch rosa Paramente und Gewänder genutzt werden, was vor allem in der katholischen Kirche üblich ist. So wie dieser Sonntag im Brauchtum mit dem Kampf zwischen Sommer und Winter verknüpft ist, thematisieren die biblischen Lesungen den Gegensatz von Trauer und Freude und das Geheimnis, dass im Tod das Leben liegt. Der Wochenspruch zu „Laetare“ lautet:

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

Joh 12,24

Ein Lied für diesen Sonntag ist „Jesu, meine Freude“ (Ev. Gesangbuch Nr. 396). Gleich zu Beginn klingt hier eine Sehnsucht an, eine Sehnsucht gehalten zu sein in einer Welt voller dunkler Schatten: „Ach wie lang, ach lange ist dem Herzen bange und verlangt nach dir!“ Es war ursprünglich ein Liebeslied und wurde später zu einem geistlichen umgedichtet. Den Text begreift man umso besser, wenn man bedenkt, in welcher Zeit er entstanden ist. Geschrieben hat ihn Johann Franck (1618-1677), Jurist und Dichter bekannter Kirchenlieder sowie weltlicher Gedichte. Als Kind des Dreißgjährigen Krieges haben ihn Zerstörung, Hunger und Tod von Anfang an begleitet. „Jesu, meine Freude“ erschien 1653, fünf Jahre nach Kriegsende. Man könnte meinen, er habe mit diesem Text regelrecht gegen das Elend „angeschrieben“. So heißt es in der dritten Strophe: „Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen, Trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.“ Dieses „Trotzdem“ erfordert Mut und kann auch in unserer Zeit sehr tröstend und Kraft spendend sein. Der vollständige Text ist hier nachzulesen:
www.liederdatenbank.de/song/1171

Die Melodie stammt von Johann Crüger (1598-1662), der zweifelsohne zu den bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlieddichtern des 17. Jahrhunderts gehört. Er stammt übrigens aus derselben Gegend wie Johann Franck, der Niederlausitz. In der folgenden Aufnahme hören wir „Jesu, meine Freude“ nach Crügers Melodie und Satz, dargeboten vom Ensemble Cappella Vocale Berlin unter Leitung von Carsten Albrecht. Die Aufnahme entstand in der Berliner Nikolaikirche, in der Johann Crüger von 1622 bis 1662 als Kantor tätig war.
www.youtu.be/ln9Gix_8aZg

Verschiedene Komponisten ließen sich seither zu eigenen Bearbeitungen dieses Liedes inspirieren. Eine der bekanntesten ist die gleichnamige Motette für fünfstimmigen Chor von Johann Sebastian Bach. „Jesu, meine Freude“ (BWV 227) entstand in Bachs Leipziger Zeit, etwa zwischen 1723 und 1735. Grundgerüst bildet der Text Johann Francks. Zwischen den sechs Strophen steht jedoch immer eine Stelle aus dem Römerbrief (Röm 8, 1-11). Musikalisches Zentralstück des Werkes ist die Fuge „Ihr aber seid nicht fleischlich“. Die anderen Sätze sind symmetrisch um diese Fuge herum gruppiert, umschlossen von zwei musikalisch identischen Choralsätzen auf die Melodie von Johann Crüger. Wir hören das Vocalconsort Berlin unter Leitung von Daniel Reuss:
www.youtu.be/a4SKrGYMp7A

Der Liedermacher Gerhard Schöne hat das zeitlose geistliche Lied Ende der 1980er Jahre mit einem Text in heutiger Sprache versehen, der den Nerv der Zeit in einer hoffnungsvollen Weise trifft. Diese Version steht auch im neuen Gesangbuch „Singt von Hoffnung“ unter der Nr. 86.
www.gerhardschoene.bandcamp.com/track/jesu-meine-freude-2

 

Viele Grüße

Kantor Gerd Heubaum

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