Joachim Reichel - Ein Porträt

Mitarbeitende im Kirchspiel

Joachim Reichel - Hausmeister (Foto: J. Mummert)

Es ist der letzte Abend vor dem ersten Schnee des Jahres, als wir uns zum Interview in der Heilandskirche treffen. Schnee verschafft dem Hausmeister zusätzliche Arbeit. Aber Joachim Reichel ist keiner, der über Arbeit klagt. Noch war also Zeit, seinen Erzählungen zuzuhören.

Er wurde 1961 geboren in Herrnhut, in eine Familie, die seit Generationen auf das Engste mit der Brüdergemeine verbunden ist. Sein Großvater absolvierte noch die Herrnhuter brüderische Missionarsschule in Niesky und so kam es, dass seine Mutter noch kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges im lateinamerikanischen Paramaribo zur Welt kam, der Hauptstadt Surinames, das bis 1975 zu den Niederlanden gehörte.

Das erzählt von einer Besonderheit der Brüdergemeine, der Internationalität. Einerseits wurden damals 16 Prozent der ostdeutschen Mitglieder bei Missionsaufträgen der Eltern im Ausland geboren.  Andererseits hielt die weit verzweigte Brüdergemeine Kontakt zu ihren brüderischen Gemeinen im Ausland, wie der Moravian Church in Bethlehem, USA. In welcher Lausitzer Kleinstadt landeten schon CARE-Pakete. Wo kamen schon alljährlich holländische Busse mit Brüdern und Schwestern aus Suriname an?
Die Familie kehrte nach Herrnhut zurück. Seine Eltern betreuten eines der vier Kinderheime. Mit dem diakonischen Engagement ließ sich der Staat zwar gern aushelfen, die Schulausbildung musste allerdings in staatliche Hand gegeben werden. So begann ein komplizierter Prozess zwischen Staat und der Gemeine: mit Zugeständnissen etwas Abgrenzung erkaufen.

Ab 1970 leiteten die Eltern ein Altenheim im nahegelegenen Kleinwelka, das auch von der Brüdergemeine betrieben wird. Ab der dritten Klasse allerdings wurde Joachim für fünf Jahre in ein Internat nach Ebersdorf in Thüringen gegeben. Er erzählt das wie eine Selbstverständlichkeit. Für ein Kind ist es gewiss schwer. Aber es gehört tatsächlich zu den Gepflogenheiten der Brüdergemeine - der Preis für eine Art frühes Fundament des Zusammengehörigkeitsgefühls, das über die Jahrhunderte nicht abreißen sollte.
Joachim lernte nach der zehnten Klasse Schlosser in Bautzen, schloss noch eine Meisterausbildung an und begann im Beruf zu arbeiten. Da er den Dienst an der Waffe verweigerte, wurde er zum spätestmöglichen Zeitpunkt, mit 25 Jahren, als Bausoldat einberufen - eine Methode aus den staatlichen Strafarsenalen gegen Widerspenstige. Wie durch ein Wunder blieb das Herrnhuter Gemeine-Gefühl allerdings während der Dienstzeit erhalten, als sich ein Drittel der Kompanie als Herrnhuter Brüder erkannte. Sie hatten ganz in der Nähe zu arbeiten, in der Massenei und man kann es kaum glauben: Der Pfarrer der Großröhrsdorfer Kirche konnte die Kompanie zu Maurerarbeiten auf dem Kirchgelände gewinnen. Gegen ein Bier und gutes Essen.

Pünktlich 1989 endete dieser Dienst und die Zeit war bereit für Neues: Er heiratete Anett, sie zogen nach Dresden und auf ihn wartete Arbeit bei der Firma Fuchs+Girke, die auf Restaurierungen und Denkmalschutz spezialisiert ist. „Da war viel gute Arbeit dabei“, sagt Joachim Reichel. Ein Wort, das er gern benutzt. Gute Arbeit. Die Atelierfenster der Kunstakademie mussten erneuert werden, ebenso das Ziffernblatt des Rathausturms und natürlich sollte August auf dem Pferd neues Gold bekommen. Er wurde Werkstattmeister und bald gab es in ganz Deutschland zu tun. Ständig auf Achse - keine optimalen Bedingungen für eine Familie, denn inzwischen waren die Söhne Johannes und Arthur da. Da ist auch die Herrnhuter Gemeine in Pieschen, in der er aktiv ist. Und es gibt noch die Briesnitzer Kantorei, in der er seit 1997 im Tenor singt. Am dankbarsten ist er, inmitten der wunderbaren Musik der großen Konzerte sein zu dürfen. Bach, Schütz, Mendelssohn.

Nach 18 Jahren trennten sich also die Wege von Reichel und Fuchs+Girke und so passte es zeitlich gut, dass der Hausmeister der Heilandskirche in den Ruhestand ging. Mittlerweile ist er Meister der Hausmeister und mit zwei Kollegen für Cossebaude, Briesnitz und Cotta zuständig. Viel Abwechslung, sagt er und viel gute Arbeit dabei.

Hans-Haiko Seifert

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