Rudolf Mauersberger zum 50. Todestag

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Mehr als vier Jahrzehnte leitete Rudolf Mauersberger den Dresdner Kreuzchor und hat ihn damit geprägt wie kein anderer. Vor 50 Jahren, am 22. Februar 1971 starb der berühmte Kreuzkantor und Komponist.

Rudolf Mauersberger wurde am 29. Januar 1889 als Sohn eines Kantors und Kirchschullehrers in Mauersberg im Erzgebirge geboren. Der Name der Familie ist seit Genrationen mit dem Ortsnamen verbunden. Bereits mit neun Jahren fungierte er als Organist im Gottesdienst. Nach Besuch der Dorfschule im Heimatort, des Königlichen Lehrerseminars in Annaberg sowie einer Zeit als Hilfslehrer in Mildenau, studierte Mauersberger am Konservatorium in Leipzig. 1914 gewann er den Nikisch-Preis für Komposition. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wirkte Mauersberger zunächst für sechs Jahre als Kantor und Organist in Aachen, danach an Bachs Taufkirche St. Georg in Eisenach, wo er den Bachchor Eisenach sowie einen Knabenchor gründete. Während dieser Zeit war er zugleich erster Landeskirchenmusikwart der evangelischen Landeskirche Thüringens.

Aus 80 Bewerbern wurde Rudolf Mauersberger 1930 zum Kreuzkantor in Dresden berufen. Dieses Amt hatte er 41 Jahre lang inne, ein Rekord in der Geschichte des Dresdner Kreuzchores. Während dieser legendären Amtszeit prägte er den Knabenchor wie niemand vor ihm und führte ihn auf ein international anerkanntes Niveau. 1933 trat Mauersberger merkwürdigerweise, offenbar gemeinsam mit anderen Lehrerkollegen am Kreuzgymnasium in die NSDAP ein. Trotz seiner Parteimitgliedschaft bemühte er sich darum, die Einflüsse der NS-Propaganda vom Kreuzchor fernzuhalten. Er weigerte sich, NS-Gesänge mit dem Chor aufzuführen, setzte sich über Aufführungsverbote hinweg und bezog Werke jüdischer und verfemter Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy und Günther Raphael in seine Programme ein. Es gelang ihm, den christlichen Charakter des Chores nicht nur zu bewahren, sondern sogar noch stärker zu akzentuieren. Mauersberger gestaltete die Gottesdienste und Vespern in der Kreuzkirche zunehmend im Sinne der liturgischen Erneuerung mit Hauptchor und Altarchor in liturgischer Kurrendekleidung mit Kerzen um. Damit wollte er einen kirchlichen Gegenakzent zu den NS-Kulthandlungen setzen. In der verheerenden Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 verloren elf Kruzianer ihr Leben. Die Dresdner Kreuzkirche wurde mitsamt dem Chorarchiv zerstört.

Die Neubelebung des Chores kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zählt zu Mauersbergers Verdiensten. Bereits am 4. August 1945 sang der Chor seine erste Vesper in der ausgebrannten Kreuzkirche. An diesem Tag kam Mauersbergers Trauermottete „Wie liegt die Stadt so wüst“ zur Uraufführung. Es ist sein bekanntestes Werk. In diesem A-cappella-Chorstück verarbeitete er das schockierende Erlebnis des brennenden Dresden und der völlig zerstörten Stadt. Der Text ist den Klageliedern Jeremias entnommen. Später wurde diese Motette Mauersbergers „Dresdner Requiem“ beigeordnet. In der folgenden Aufnahme singt der Dresdner Kreuzchor unter Leitung von Matthias Jung:
https://youtu.be/k0Z2Vn2Ibvw

Auch in der nachfolgenden DDR-Zeit gelang es dem Kreuzkantor, politische Einflüsse vom Chor fernzuhalten. Er hatte dabei schwierige Situationen zu bestehen. Seine Verdienste waren jedoch derart groß, dass ihm 1950 zusammen mit dem Kreuzchor der Nationalpreis der DDR verliehen wurde. Weitere Preise und Ehrungen folgten. Als Rudolf Mauersberger am 22. Februar 1971 starb, herrschte eine tiefe Betroffenheit, die die ehemaligen Kruzianer Theo Adam und Peter Schreier mit den Worten ausdrückten: „Der Kreuzchor hat seinen Vater verloren.“ Mauersberger verzichtete übrigens Zeit seines Lebens auf eine eigene Familie. Sein Lebensmittelpunkt war der Kreuzchor. Manche Punkte in seiner Biographie sind heute mit Recht zu hinterfragen, wie etwa die Mitgliedschaft in der NSDAP oder die „traditionell“ ausgerichtete Erziehung der Chorknaben. Dennoch gehen auf ihn, der sich selbstironisch gern auch mal als „Kreuz- und Querkantor“ bezeichnet haben soll, große Verdienste um den heute weltberühmten Knabenchor zurück und er hinterließ ein beeindruckendes musikalisches Vermächtnis.

Die schicksalsreichen Jahre, in denen Rudolf Mauersberger den Dresdner Kreuzchor leitete, kommen auch in seinem kompositorischen Schaffen zum Ausdruck. So schrieb er u.a. den „Chorzyklus Dresden“, das „Dresdner Requiem“, die „Passionsmusik nach dem Lukasevangelium“ oder auch das „Dresdner Te Deum“. Außerdem arrangierte er geistliche Lieder und Volkslieder in Chorsätzen. Auch das heitere, unbeschwerte fehlt in Mauersbergers Werk nicht. Als Beispiel sei die „Geistliche Sommermusik“ genannt. Daraus musizieren in der folgenden Aufnahme der Thüringische Akademische Singkreis unter Leitung von Wolfgang Unger sowie Johannes Unger an der Orgel den Choral „Geh aus, mein Herz“:
https://youtu.be/_pEyGKiMLYw

Musikalisch sind die Werke Mauersbergers zum Teil noch von einer Sinnlichkeit, die bei Zeitgenossen wie Ernst Pepping oder Johann Nepomuk David nicht vorhanden ist. Dies liegt womöglich an der „spätromantischen“ Prägung, die der Komponist während des Studiums bei Karl Straube in Leipzig erfuhr. Andererseits findet man auch eine Volkstümlichkeit, die wohl in Mauersbergers erzgebirgischer Herkunft und seiner Verwurzelung in der dortigen Musiktradition zu suchen ist.

Zum 50. Todestag Rudolf Mauersbergers wurde in der Kirche Dresden-Loschwitz eine Gedenkvesper aufgezeichnet, in der verschiedene Kompositionen aus seinem Schaffen von 1914 bis 1947 zu hören sind. Es erklingen u.a. der „Dankpsalm“, „Der alte Dresdner Totentanz“, „Unruh der Zeit“, das „Präludium d-Moll“ als Orgel-Solo sowie Ausschnitte aus dem „Streichquartett fis-Moll“ und dem „Klaviertrio c-Moll“. Ausführende sind das Ensemble „AuditivVokal Dresden“ unter Leitung von Olaf Katzer, das „Edenquartett Dresden“ und das „Trio Branny“. Die Orgel spielt Tobias Braun. Liturg ist Pfr. Markus Deckert, die Gedenkansprache hält Prof. Michael von Brück, Pfr. i.R. aus Regensburg. Die Vesper kann man sich unter folgendem Link anschauen:
https://youtu.be/3g_UGu2JCPs

 

Viele Grüße

Kantor Gerd Heubaum

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