Zahl nicht fürs Essen, zahl für die Landwirtschaft!

Solawi „LebensWurzel“ in der Region Sächsische Schweiz & Dresden

Ein schmuckloser Raum mit kleinem Fenster. Kleine Säcke voller verschiedener Getreidesorten stehen in einem Regal. Grüne Kisten mit Gemüse stapeln sich auf dem Boden. Eine Stiege Eier und eine rote Kiste mit Brötchen stehen auf einem alten Tisch. Ein Lieferschein an der Wand verrät: 47 Bunte Bete, 52 Kilo Kartoffeln, 16 Sellerieknollen, 28 Rettiche, 12 Salatköpfe, 254 Zwiebeln, 115 Eier und 109 Brote und Brötchen. Immer wieder öffnet sich die Tür. Leute kommen, Ware wird gewogen und gezählt, die Kisten leeren sich.

Was wie Alltag in einem Hinterhof-Bioladen klingt, findet tatsächlich immer donnerstags in der Hoffnungskirche in Löbtau in der Clara-Zetkin-Straße 30 statt. Dann ist Ausgabetag bei der Solidarischen Landwirtschaft, die hier einen Raum im Kirchgebäude nutzt. Auch Klaus Schuster und Andrea Borchert von der Gemeinde Frieden und Hoffnung kommen regelmäßig vorbei und sammeln ihre Lebensmittel ein. „Wir sind 2020 über den Nachhaltigkeitskreis in der Gemeinde darauf aufmerksam geworden. Das Konzept war für uns stimmig, und schon waren wir dabei“, sagt Andrea Borchert.

Bei der solidarischen Landwirtschaft werden die angebauten Lebensmittel nicht über den Markt vertrieben, sondern direkt an den Verbraucher abgegeben. Der Wirtschaftskreislauf ist regional, damit klein und überschaubar. Das Konzept fördert und erhält die bäuerliche und vielfältige Landwirtschaft. Es findet keine Ausbeutung von Ackerböden, der Landwirte, Gärtner und vor allem der Tiere statt. Motto: Nicht für das einzelne Produkt bezahlen, bezahlt wird die Landwirtschaft. Wer wie viel gibt, wird in Bieter- und Geberrunden ausgehandelt. Jeder Ernteteiler schaut sich an, was es an Gemüse, Brot und Brötchen, Fleisch usw. gibt und entscheidet, was er haben möchte. Anhand eines Richtwertes sowie der eigenen finanziellen Möglichkeit legt er seinen finanziellen Betrag fest, den er monatlich zahlen möchte. Letztlich gleichen sich niedrigere und höhere Gebote aus. Die Runde endet mit Erreichen des Gesamtbudgets – und den jeweils feststehenden Beträgen.

Das heißt für die Verbraucher, dass sie eine Vielfalt saisonaler, frischer und biologisch angebauter Lebensmittel zu einem fairen Preis erhalten – und vor allem Transparenz. Auf dem Hof in Struppen kann man auch mal auf dem Feld stehen, sieht also, wie alles angebaut und geerntet wird. Für die Erzeuger bedeutet es, dass sie neben der freien Gestaltungsmöglichkeit auch Planungssicherheit und ein festes Gehalt haben. Die Lebensmittelversorgung wird also von den Beteiligten selbst in die Hand genommen und durch das Einbringen finanzieller und zeitlicher Ressourcen werden die Kosten, das Risiko und die Ernte geteilt. Der Anbau und die Erzeugung erfolgen je nach Bedarf, das vermeidet Verschwendung.

„Man muss einen angemessenen Preis für Lebensmittel zahlen, damit die Erzeuger davon leben können und nicht ausgebeutet werden. Wir leben in einem reichen Land, haben für alles eine Versicherung und ein sehr gutes soziales Netz. Nur sind die meisten Menschen nicht bereit, für Lebensmittel Geld auszugeben. Alles muss billig sein. Erdbeeren, die 500-Gramm-Schale für 1,85 Euro und das im März, und große Konzerne graben der Bevölkerung das Wasser ab, zahlen Hungerlöhne. Da stimmt das System einfach nicht“, sagt Andrea Borchert. Solawi will dem etwas entgegensetzen, für eine ökologische, klimagerechte und soziale Landwirtschaft.

Das hiesige Projekt „Solawi LebensWurzel“ hat sich aus dem 2014 gegründeten Projekt „Solawi Schellehof GbR & LebensWurzel e. V.“ heraus entwickelt. Seit 1. Oktober 2022 ist die LebensWurzel-Genossenschaft in Gründung. In Dresden gibt es acht Depots, eine davon ist in der Hoffnungskirche. Jeden Donnerstag werden die Lebensmittel vom Betrieb in Struppen in die einzelnen Depots geliefert. Jeder Ernteteiler wird per Mail über die wöchentliche Ernteverteilung informiert. Im Depot werden dann die Lebensmittel eingesammelt.

„Über den Arbeitskreis wurde damals angefragt, ob es möglich ist, in der Hoffnungskirche einen Raum zu mieten. Auch die Gründungsveranstaltung für die Genossenschaft war schon hier in der Hoffnungskirche, insofern kamen wir schnell zusammen. Ich finde dieses Depot bei uns in der Kirche sehr praktisch, es liegt zentral im Stadtteil, in einem bekannten Gebäude. Außerdem ist es ein gutes Signal, lässt sich das alles sehr gut mit Glauben vereinbaren, beides heißt nachhaltig und in Gemeinschaft zu leben“, erklärt Andrea Borchert. Im Schnitt sind 25 Ernteteiler je Depot beteiligt – nicht nur Christen, auch Studierende, junge Familien bis hin zum Juristen aus Löbtau und umliegenden Stadtteilen.

Eine Saison bei der Solawi beginnt im April und endet im März. Trotz der laufenden Saison besteht noch die Möglichkeit, Ernteteiler zu werden. „Wir freuen uns über alle, die dieses Verständnis und Modell teilen. Denn auch mit kleinen Dingen kann man Großes bewirken, insbesondere wenn viele mitmachen“, sagt Andrea Borchert.

Matthias Weigel

 

Informationen und Kontakt:

Solidarische Landwirtschaft „LebensWurzel i. G.“
0151 / 74 25 79 76

Konzept Solidarische Landwirtschaft (Solawi)

www.solidarische-landwirtschaft.org

Podcasts:

www.solawi-genossenschaften.net/podcasts

Ernte Teilen (Trailer zum Film):

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