Wir dürfen und sollen uns einmischen.

Gastartikel zu Politik und Kirche anlässlich der bevorstehenden Wahlen

„Mit Herz und Verstand“, so lautet eine Initiative der beiden großen sächsischen Kirchen zum Jahr 2024, welches politisch in Sachsen durch drei Wahlen gekennzeichnet ist.
Am 9. Juni wählen wir das Europaparlament. Gleichzeitig wird unser kommunales Parlament, der Stadtrat neu gewählt. Ich finde wichtig mit zu beachten, dass beim Europaparlament auch Jugendliche ab 16 Jahren erstmals wählen dürfen. Am 1. September folgt die Neuwahl zum sächsischen Landtag.

Weshalb ist das für uns als Christenmenschen auch wichtig? Gehört das Thema überhaupt in ein christliches, in ein kirchgemeindliches Magazin, wie den Westwind? Auf jeden Fall.

1989 wurde in und mit den Kirchen eine Umwandlung der Gesellschaft ermöglicht. Und dies zum Glück auf friedlichem Wege. Weshalb wir die Ereignisse im Herbst 1989 gerne als „Friedliche Revolution“ bezeichnen. Wir dürfen auch heute noch stolz darauf sein und auch darauf, dass dadurch Demokratie auch für Ostdeutschland erstritten werden konnte. Diese sollte auch heute in und mit den Kirchen verteidigt werden. Es geht dabei nicht um Parteipolitik – die sollten wir den jeweiligen Parteien überlassen. Es geht aber um unsere Verantwortung für die Gestalt der Politik in unserem Land. Ob sie auch von christlichen Werten geprägt sein wird. Die dann nicht nur als Lippenbekenntnisse in Parteiprogrammen stehen sollten, sondern auch in der großen Politik und bei lokalen Themen vor Ort ihren Niederschlag finden müssen.

„Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt kennen keine Ausnahme.“ So formulierte es Heinrich Timmerevers, Bischof des Röm.-Kath. Bistums Dresden-Meißen, bei der Vorstellung der gemeinsamen Kampagne zum Wahljahr 2024 mit unserer Landeskirche. Kürzer und besser kann man es eigentlich nicht ausdrücken. Daran können und müssen wir uns messen lassen. Davon können und sollten wir auch unsere Wahlentscheidungen in diesem Jahr abhängig machen.

Also doch Politik in der Kirche? Wogegen sich manche Christenmenschen aussprechen, die die Politik gerne aus ihrer Kirche heraushalten möchten. Also doch auch Politik auf der Kanzel, was manche treue Gottesdienstbesucherinnen und -besucher auch abschrecken könnte?! Beides möchte ich mit „Ja“ beantworten. Es geht mir dabei, wie oben schon erwähnt, nicht um Parteipolitik, obwohl wir diese in diesem Jahr auch in unsere Überlegungen, auch in die Diskussionen in Familie und Gemeinde mit einbeziehen werden müssen. Vielleicht auch mit einem Blick in die Bibel: „Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit / Selig sind die Barmherzigen / Selig sind, die Frieden stiften.“ In der Bergpredigt kommen aus meiner Sicht für die damalige und natürlich auch für die heutige Zeit hochpolitische Äußerungen Jesu zum Tragen. Es geht nicht nur um mich, es geht nicht nur um „unser Land“, es geht nicht nur um Europa. Jesus hat den Menschen vor unserer Tür, aber auch die Menschen in der Welt im Blick. Er spricht auch mit der samaritanischen Frau, was sich sonst für Mitglieder seines Volkes nicht schickte. Er nimmt den fremden Samariter im berühmten Gleichnis zum Vorbild. Er geht auf Kranke und Entrechtete zu und gibt ihnen damit eine eigene Würde. Er lädt sich förmlich selbst bei politisch und gesellschaftlich geächteten Personen ein. Er sieht den einzelnen Menschen an. Und wir können uns auch diesen Blick leisten – wir werden von ihm aufgefordert, so weit zu blicken.

Dazu benötigen wir einen sozialen Ausgleich in unserem Land. Wir benötigen Initiativen für Freiheit, Menschenwürde und Frieden hier, aber auch über unser Land hinaus. Wir müssen uns selbst immer wieder fragen, ob wir zur Barmherzigkeit fähig und bereit sind. Für mich immer wieder hochpolitische Fragen, die mit uns und unserem Leben zu tun haben.

So können wir Politik im weiteren Sinne auch nicht aus unserer Kirche heraushalten. Wir dürfen und sollen uns einmischen. Dazu sind wir als Ev.-Luth. Landeskirche und als Kirchgemeinde auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Dies beinhaltet nicht nur Rechte, sondern auch Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen.
Deshalb – wir diskutieren auch in unseren Gemeinden, was unserem Land in der jetzigen Lage guttut. Wir schauen darauf, wie sich Parteien zu unserer Geschichte stellen und was sie für unsere Zukunft vorhaben. Durch unser Handeln bestimmen wir auch das Geschick unserer Kommune, unseres schönen Sachsenlandes und auch das von Europa. Handeln wir mit Herz und Verstand.

Christian Behr
Superintendent im Kirchenbezirk Dresden-Mitte

Superintendent Christian Behr

Veranstaltungen zu diesem Thema

  • Mittwoch, 26. Juni
    19:30 Uhr Gorbitz, Gemeindezentrum
    Gorbitzer Gespräch
    Für alle. Mit Herz und Verstand.
    Kirche und Gesellschaft im Wahljahr 2024

  • Montag, 12. August
    19:00 Uhr Gorbitz, Gemeindezentrum
    Wahlforum zur Landtagswahl 2024
    im Wahlkreis Dresden 7 –
    Im Gespräch mit Kandidaten
    und Kandidatinnen

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