Raum zum Klingen

Evangelische Musizierschule Dresden

Es ist Advent und schon dunkel geworden, als Georg Tietze am alten Briesnitzer Pfarrhaus ankommt. Der Sportunfall schränkt ein, hält ihn jedoch nicht davon ab, zum Posaunenunterricht zu gehen. Mit gebrochener Hand und Verband kann man zwar das Instrument nicht halten, wohl aber viele Übungen mit Mundstück, Atem und in Musiktheorie trainieren. Juliane Lehmann unterrichtet jeden Montag im ersten Obergeschoss, und lauscht man auf dem Gang vor ihrer Tür, dann hört man parallel in dem einen Nachbarzimmer die Klänge eines Klavieres und aus dem anderen eine einzelne Kindersingstimme, während im großen Gemeindesaal im Erdgeschoss die beiden Kurrenden proben und sich anschließend der Posaunenchor trifft. Hier wird Musik gemacht!

Seit einem guten Jahr kooperiert das Kirchspiel Dresden West mit der Evangelischen Musizierschule Dresden und bietet inzwischen in Löbtau, Briesnitz und Cossebaude unter anderem Klavier-, Posaunen-, Gesangsunterricht und Kinderstimmbildung an. Auch im Gemeindezentrum in Gorbitz wird dies künftig möglich sein. Die neue Musizierschule hat ihren Betrieb zu Ostern 2021 aufgenommen und ermöglicht mit ihrem Ansatz eine flächendeckende musikalische Grundausbildung. Etwas Besonderes ist das dezentrale Prinzip, denn die Unterrichtsräume befinden sich nicht in einem Schulgebäude, sondern in den vielen Dresdner Gemeinderäumen der Evangelischen Kirche, über das ganze Stadtgebiet verteilt. Für die Klavierschüler in Cossebaude bedeutet das zum Beispiel einen kurzen Weg. Anstatt in die Innenstadt fahren zu müssen, wird professioneller Klavierunterricht im Kirchhaus angeboten. Die Lehrkräfte sind studierte Musikerinnen und Musiker und viele von ihnen würden sonst in ihren Privaträumen unterrichten. Eine Erleichterung auch für sie, denn Abrechnung und Organisation wird ihnen ebenfalls durch das Verwaltungsbüro der Musizierschule im Haus der Kreuzkirche und durch ihren Leiter, Sebastian Schöne, abgenommen. Als Kirchspiel und Gemeinde öffnen wir damit allen Musikinteressierten die Tür, unabhängig von Alter und Glaubensangehörigkeit. Der Blick in Gemeinden wie Dresden-Blasewitz, die schon länger Teil der Musizierschule sind, zeigt, dass die Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte durch Auftritte in Gottesdiensten, Gemeindeveranstaltungen oder Konzerten das Gemeindeleben signifikant bereichern können. Als Kantor und Kurrendeleiter in Briesnitz profitiere ich außerdem von der Einzelstimmbildung, die inzwischen die Mehrheit der Kurrendekinder auf freiwilliger Basis in Anspruch nimmt. Von Sängerin und Gesangspädagogin Dorothea Wagner lernen die Kinder, losgelöst vom Chorgesang, auf ihre eigene Stimme, die Atmung und den Körper zu hören und gestalterisch zu entdecken.

Mein Eindruck ist: Hier wächst aus vielerlei Perspektive etwas Gutes! Wir öffnen unsere Räume und schaffen Begegnung mit Menschen, die sonst kein Gemeindehaus betreten würden. Musik als Gabe Gottes und Musik als Hobby, Ausgleich als Leidenschaft ist das verbindende Element. Ich kann nur jedem, der ein Instrument lernen möchte, empfehlen, sich auf der Website der Evangelischen Musizierschule Dresden zu informieren oder mich als hauptamtlichen Kirchenmusiker im Kirchspiel anzusprechen. Das Tolle daran ist: Das Projekt wächst und bleibt flexibel. Bisher werden im Kirchspiel Gesang, Klavier und Posaune unterrichtet. Wenn auch für Violine, Schlagzeug, Akkordeon oder Saxophon die Nachfrage da ist, werden wir versuchen, den Unterricht vor Ort anzubieten.

Es wird wieder wärmer und hell, der Frühling hat begonnen. Georg Tietze macht gute Fortschritte und auch die Musizierschule ist im Kirchspiel angekommen und bringt unsere vielen Räume zum Klingen.

Jonathan Auerbach
Kantor

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