Vom Parkfriedhof zum Friedhofspark

Umgestaltung von Freiflächen auf dem neuen Annenfriedhof

Luftaufnahme Neuer Annenfriedhof (Foto: B. Paetzig)

Es war eine unglaubliche Überraschung als uns die Information im Sommer 2021 erreichte: Mit uns, dem Verband der Annenfriedhöfe Dresden als Projektpartner, hatte sich das Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft (ASA) als Stätte für ein Forschungsvorhaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) beworben. Im Sommer 2021 erhielten wir als eines von bundesweit sechs Modellprojekten die Zusage und machten uns gemeinsam mit der Landeshauptstadt Dresden und vielen weiteren Akteuren auf einen aufregenden Weg. Erklärtes Ziel war es, neue Pläne zu entwickeln für die Gestaltung und Nutzung des für Beisetzungen beschränkt geschlossenen Teilbereiches „Friede und Hoffnung“ innerhalb des Neuen Annenfriedhofs. Verbunden mit der Zusage des BBSR war die Verantwortung, das Projekt experimentell anzugehen, um neue Lösungen für ein allgegenwärtiges und bundesweites Problem im Bereich der kommunalen Grünentwicklung zu finden. In unserem konkreten Fall hieß dieses Problem „Friedhofsfreiflächen“, also Flächen auf Friedhöfen, die heute und auch langfristig nicht mehr für Bestattungen genutzt werden, jedoch trotzdem irgendwie gepflegt und bewirtschaftet werden müssen. Schaut man sich den Neuen Annenfriedhof an, wird schnell klar welche Dimensionen und damit verbunden eben auch Kosten hier für den Friedhofsträger entstehen können: hier wurden mehr als 50 Prozent der Flächen bereits in den 1990er-Jahren für die Vergabe neuer Gräber geschlossen und sind bereits frei von Gräbern oder nur noch lückig belegt. Schon damals bestand für die Fläche „Friede und Hoffnung“ eine klare Vision: Sie soll zu einem Park umgestaltet werden!

Bei einem Gang über den Friedhof kann einem leicht der Gedanke kommen „Ist die Fläche nicht schon ein Park?“. Auf der Westseite gibt es praktisch keine Gräber mehr, man sieht Eltern mit Kindern auf Decken sitzen, Radfahrer, Gassi gehende Hundehalter, Jogger – alles Nutzungen, die inmitten eines dichtbelegten Grabfeldes und auf vielen kleineren Friedhöfen kaum denkbar und störend wären. Auf dem Neuen Annenfriedhof stören sie nicht, zumindest, wenn alle die nötige Rücksicht auf andere nehmen und diese Aktivitäten nicht im grabreichen Kernbereich stattfinden. Hier sind die verschiedenen Nutzungen eine Gelegenheit für Trauernde, Trost und Gesellschaft zu finden bei der Begegnung mit Nichttrauernden, und sie bieten großen Teilen der Löbtauer Bevölkerung eine Naherholungsmöglichkeit in erreichbarer Nähe.

Der Neue Annenfriedhof ist Teil eines an Grünflächen unterversorgten Stadtteils. Und selten war ein Friedhofsareal Gegenstand der Betrachtung für ein so diverses Netzwerk von Akteuren, bestehend aus kirchlichen Partnern und kommunalen Ämtern, Privatpersonen, lokalen Vereinen, Hochschulen und Umwelt- wie auch Trauerbegleitungsinitiativen. Im Rahmen des Beteiligungsprozesses konnten durch dieses Netzwerk nicht nur zahlreiche Ideen zur Gestaltung und zu neuen Nutzungsmöglichkeiten für das Areal eingebracht werden, sondern auch die bestehenden Vorschläge diskutiert, weiterentwickelt und kritisiert werden. Parallel wurden durch die Akteure kooperativ auch Teilprojekte umgesetzt: Durch Umweltmonitoring-Studierende der HTW Dresden konnte so zum Beispiel eine Malaise-Falle zur Bestandserfassung flugfähiger Insekten installiert werden. Die Studierenden konnten sich mit dieser Form entomologischer Untersuchung befassen, bekamen durch eine Führung mit der Friedhofsverwalterin aber auch Einblicke in Besonderheiten eines Friedhofs. Das Umweltamt und das Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft finanzierte drei Forschungsgutachten für die Bestimmung und Evaluierung gefangener Zweiflügler, Käfer und Wildbienen. Diese Ergebnisse flossen dann in zwei Arten- und Biotopschutzgutachten für den Neuen Annenfriedhof durch Studentinnen der TU Dresden (Institut für Landschaftsarchitektur) zusammen mit anderen Voruntersuchungen ein. Neben dem Wissen wuchs so auch das Bewusstsein bei den Beteiligten für die Friedhöfe als Lernort, als ökologisch wertvolle Lebensräume und potentielle Forschungsstätten.

Solche Teilprojekte gab es zu zahlreichen Aspekten der Friedhofsnutzung und -gestaltung, die sich grob in vier Themenbereiche unterteilen lassen: „Gesamtgestaltung und Freiraumkonzept“, „Denkmalerhalt, Geschichte, Erinnerungskultur“, „Artenschutz und Ökologie“ sowie „Begegnung, Kunst, Kultur“. Schnittmengen gibt es dabei viele und sie lenken die Aufmerksamkeit darauf, wie vielfältig die Qualitäten der Projektfläche sind. Übergeordnet spielen zusätzlich Fragen der Zuständigkeit und Trägerschaft eine Rolle, der rechtliche Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Kommune und Friedhofsträger, die Finanzierung der Projektumsetzung aber auch der Pflege der Fläche. Zum Projektende entsteht weiterhin ein Leitfaden zum Umgang mit Friedhofsfreiflächen, basierend auf den erworbenen Erfahrungen.

Am Ende des Projektes sollen Mitte 2024 nicht nur der fertige Entwurf für die Friedhofsfläche „Friede und Hoffnung“ sowie zum Ausbau des dortigen Gebäudes zum Friedhofscafé vorliegen, sondern auch erste Schritte zur Umsetzung getan werden – wie immer zusammen mit der Bürgerschaft vor Ort. Diese konnte sich zum Tag des Friedhofs am 17. September 2023 bereits einen ersten Eindruck verschaffen von vielen Nutzungen, denen ein neuer Raum geboten werden soll, und hierzu Rückmeldungen geben. Diese waren bislang erfreulich positiv!
Fest steht auf alle Fälle: Das Projekt war ein großer Erfolg und die Liste der Ideen und Teilprojekte ist erfreulich lang. In seiner Umsetzung wird das Projekt „Vom Parkfriedhof zum Friedhofspark“ alle Beteiligten auf jeden Fall auch nach 2024 weiter beschäftigen und beflügeln.

Lara Schink
Friedhofsverwalterin

Weitere Informationen zum Projekt:
www.dresden.de/green-urban-labs

Rückfragen oder Aufnahme in den Mailverteiler für weitere Veranstaltungen:

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